Praxisleitfaden: Partizipation im digitalen Zeitalter

Das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport hat einen Praxisleitfaden zur Beteiligung der Zivilgesellschaft an politisch-administrativen Prozessen veröffentlicht. Das Handbuch versteht Beteiligungsprozesse als wesentlichen Bestandteil einer funktionierenden Demokratie, setzt Standards und Prinzipien für Bürger:innenbeteiligung und integriert Beteiligungsprozesse in alle Phasen des Politikzyklus. Mit Hilfe von Entscheidungsbäumen, Leitfragen und einer Toolbox für Beteiligungsmethoden unterstützt das Handbuch Mitarbeiter:innen der öffentlichen Verwaltung bei der Konzeption, Umsetzung und Bewertung von Beteiligungsprojekten. Darüber hinaus enthält es ein Kapitel zu den Besonderheiten digitaler Teilhabe und setzt Standards und Grundsätze für inklusive Verwaltungsprozesse um, die das bürgerliche Recht auf Teilhabe an öffentlichen Angelegenheiten fördern.

Die Publikation ist für alle Bürger:innen online und barrierefrei zugänglich: [Praxisleitfaden: Partizipation im digitalen Zeitalter – Öffentlicher Dienst (oeffentlicherdienst.gv.at)].

Hintergrund

Die fortschreitende Digitalisierung hat in den vergangenen Jahren zu wesentlichen Neuerungen im Kontext der Interaktion zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern geführt.

Digitale Medien schaffen eine erweiterte soziale und politische Realität. Menschen können durch die Teilnahme an digitalen Prozessen aktiv mitwirken und Verantwortung übernehmen.“

Kenner, Steve/Lange, Dirk (2020): Bürgerbewusstsein, politisches Lernen und Partizipation im digitalen Zeitalter. In: DDS – Die Deutsche Schule 112. Jahrgang 2020, Heft 2, S. 182.

Die Entwicklung und Nutzung sozialer Medien und neuer Online-Tools für Beteiligungsprozesse, der Einsatz semantischer Technologien sowie veränderte gesellschaftliche Ansprüche eröffnen eine Vielzahl von Chancen für Beteiligung und Interaktion. Eine strukturierte und qualitätsgesicherte Öffentlichkeitsbeteiligung kann hierbei folgende zentrale Effekte erzielen:

  • Entlastung der Verwaltungsarbeit und Erhöhung der Legitimität
  • Erweiterung der Handlungsspielräume der beteiligten Akteure
  • Modernisierung der staatlichen Dienstleistungserbringung
  • Förderung der Interaktion zwischen öffentlicher Verwaltung und Bürgerinnen sowie Bürgern
  • Zugang zu neuen Ideen, Know-how und Erfahrungen
  • Vertiefung des Verständnisses von spezifischen Themen und Abläufen (Wissenserwerb)
  • Förderung politischen Interesses, gemeinsamen Lernens und Engagements

Gemäß des Ministerratsvortrags vom 16. Dezember 2020 (Absatz 23) entwickelt das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport gemeinsam mit dem Demokratiezentrum Wien deshalb einen nutzer:innenorientierten Leitfaden, der sich an der wirkungsorientierten Verwaltungssteuerung (seit 2013 im Bund) orientiert und auf dem Politikzyklus aufbaut.

Der Leitfaden beleuchtet Öffentlichkeitsbeteiligung multiperspektivisch, integriert Aspekte der digitalen und analogen Beteiligung und unterstützt Anwender:innen methodisch-instrumentell bei der Entwicklung und Umsetzung von Partizipationsprojekten. Hierbei werden Partizipationsprozesse als integrativer Bestandteil des Policy Cycle verstanden. Der Policy Cycle gliedert politisch-administrative Prozesse in einzelne Phasen:

  • Agenda Setting/Themenfindung: Zu Beginn des politisch-administrativen Prozesses werden politisch und gesellschaftlich relevante Themen identifiziert und auf die Tagesordnung von Politik und Verwaltung gesetzt.
  • Analyse & Politikdiskussion: Es werden Informationen zum Thema gesammelt und Herangehensweisen sowie die Politikdiskussion zum Thema analysiert.
  • Politikformulierung: Anschließend wird der Lösungsansatz – also die jeweilige Politik beziehungsweise das Gesetz – formuliert.
  • Entscheidung: Schließlich wird über den Lösungsansatz entschieden.
  • Implementierung: Bei der Implementierung des Lösungsansatzes wird diese Entscheidung umgesetzt und im Regelbetrieb einem Test unterzogen.
  • Evaluierung: Im Zuge der Evaluierung können mithilfe der Erkenntnisse aus dem kontinuierlichen Monitoring der Erfolg und die Wirkung der umgesetzten Entscheidungen bewertet werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse können wiederum die Abläufe und Maßnahmen in den einzelnen Phasen des Policy Cycle für künftige Vorhaben optimiert werden.

In allen Phasen des politisch-administrativen Prozesses kann Partizipation unterstützend und sinnvoll eingesetzt werden. Der Fokus des Praxisleitfadens ist folglich eine differenzierte Aufbereitung von Achtsamkeiten und Stellschrauben von Partizipationsansätzen in den verschiedenen Phasen/Zielsetzungen des Policy-Prozesses. Darüber hinaus soll der Leitfaden auch methodisch-instrumentelle Unterstützung in Form von Begriffsdefinitionen, Entscheidungsbäumen, Toolboxen und Methodenbeschreibungen anbieten.

So sollen zum einen Mitarbeiter:innen der Verwaltung Partizipationsprozesse, je nach Zielsetzung ihres aktuellen Vorhabens, leichter anwenden und die Ergebnisse in den spezifischen politisch-administrativen Prozess integrieren können. Ebenfalls soll der Leitfaden Vertreterinnen und Vertretern aus der Zivilgesellschaft strukturelle Ansatzpunkte zur Integration von Partizipationsprozessen in den politisch-administrativen Prozess aufzeigen. Somit soll maßgeblich dazu beigetragen werden, effiziente, effektive und nachhaltige Schnittstellen zwischen der Bundesverwaltung und den vielfältigen Stakeholderinnen und Stakeholdern der österreichischen Gesellschaft langfristig zu etablieren.